Vom Homo heidelbergensis als “erstem Migranten” über “Gastarbeiter” als Motoren des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik bis hin zu erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern mit ausländischen Wurzeln: Das TECHNOSEUM in Mannheim präsentiert vom 13. November 2021 bis zum 19. Juni 2022 in der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg Migrationsgeschichten mit persönlichem Blickwinkel.
Mehr als 300 Ausstellungsstücke im TECHNOSEUM
Auf 900 Quadratmetern Ausstellungsfläche sind mehr als 300 Objekte mit Migrationsgeschichte zu sehen – und zwar zu einem ganz überwiegenden Teil Neuzugänge, die dem Museum eigens für die Schau überlassen wurden.
“Die wichtigste These der Ausstellung ist: Migration gab es schon immer und sie hat unser Land zu seinem Vorteil geprägt”, erläutert Kuratorin Dr. Anne Mahn. “Der Fokus liegt dabei auf der Nachkriegszeit sowie auf der Arbeitswelt als dem zentralen Lebensbereich, der Menschen zusammenbringt und miteinander verbindet.”
Ziel der Ausstellung sei es deshalb auch, einen Beitrag zu einer gemeinsamen Erinnerungskultur zu diesem Thema in Deutschland zu leisten, so Mahn. Sieben Kapitel und diverse Inszenierungen veranschaulichen die unterschiedlichsten Migrationserfahrungen in Deutschland – vom Stockbett in einer firmeneigenen Unterkunft bei Opel in Rüsselsheim bis hin zur Inneneinrichtung einer Eisdiele von der Schwäbischen Alb.
Ein Klassenraum und eine Inszenierung mit Schultüten veranschaulichen Fremdheitserfahrungen bei Kindern: Die Einschulung wird in Deutschland mit einer Schultüte zelebriert – und wer keine dabeihat, weil man in der Familie diesen Brauch nicht kennt, fühlt sich vom ersten Schultag an ausgeschlossen.

Einbeziehung von Menschen mit Migrationsgeschichte
Kuratierte Partizipation war bei dieser Ausstellung der zentrale Ansatzpunkt. Das heißt: Menschen mit Migrationsgeschichte wurden gezielt in das Ausstellungsprojekt des Museums mit einbezogen. Hierfür knüpfte das Kuratorinnenteam Netzwerke, führte Gespräche, organisierte Workshops und rief dazu auf, Gegenstände beizusteuern – von Möbeln, Werkzeugen oder Zeugnissen bis hin zu Kleidung und Geschirr.
“Partizipation ernst zu nehmen heißt, andere Blickwinkel zuzulassen. Das hat in manchen Fällen auch zu einer veränderten Themen- und Objektauswahl geführt und war eine große Bereicherung für das Ausstellungsprojekt”, erläutert Ausstellungsassistentin Bahdja A. Maria Fix. Nicht zuletzt ist die Ausstellung komplett zweisprachig: Alle Texte sowie Audio- und Filmstationen sind auf Deutsch und Englisch verfügbar.
Interaktive Ausstellung im TECHNOSEUM in Mannheim
Bei der Gestaltung der Schau diente das Kaleidoskop als zentrale Metapher: “Ähnlich wie bei diesem optischen Gerät mit seinen sich ständig ändernden Mustern visualisiert das Ausstellungsdesign die vielfältigen individuellen Migrationserfahrungen, die in der Ausstellung zur Sprache kommen”, so Julia Schnegg vom Berliner Gestaltungsbüro Matthies, Weber & Schnegg. Außerdem sind die einzelnen Abschnitte beim Rundgang durch die Ausstellung unterschiedlichen Farben zugeordnet.
Hier können sich die Besucher in die jeweiligen Lebensgeschichten einfühlen, etwa indem sie an interaktiven Stationen einen Arbeitstag am Fließband beim Zusammenbauen eines Papier-Traktors absolvieren, aufs Fahrrad steigen und sich per App in den Arbeitsalltag eines Lieferkuriers versetzen – oder an einer Bilderstation ein Selfie machen und so selbst Teil der Geschichte werden. Im Diskursraum am Ende der Schau kommen nicht zuletzt kontroverse Themen wie Stereotype und Rassismus-Erfahrungen zur Sprache.
Begleitendes Rahmenprogramm zur Ausstellung
Vielseitig ist auch das Rahmenprogramm zur Ausstellung: Neben einer Lecture Performance mit dem Titel “Songs of Gastarbeiter” und einer Erzählstunde in persischer Tradition mit dem Illustrator und Erzählkünstler Mehrdad Zaeri ist auch Frederik Hahn alias DJ Haitian Star (Torch) im TECHNOSEUM zu Gast und macht das Museum zum Dancefloor.



Darüber hinaus gibt es Überblicksführungen und Antirassismus-Workshops für Schulklassen sowie geführte Touren etwa für Sehbehinderte, in einfacher Sprache oder auf Bulgarisch. Kinder können bei einem Workshop lernen, wie man Spaghetti-Eis herstellt – und zwar vom Mannheimer Erfinder Dario Fontanella persönlich.
Beim After-Work-Programm “Stories.Snacks.Songs” laden die Kuratorinnen gemeinsam mit Menschen, die Migrationsgeschichten zur Ausstellung beigesteuert haben, zum lockeren Austausch – und ermöglichen so, wie die Ausstellung selbst, bereichernde Begegnungen und Perspektivwechsel, die die Augen öffnen.
Weitere Informationen zur Ausstellung und zum TECHNOSEUM gibt es auf der Webseite des Museums.
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