Von Christoph Ledder:
Sie stehen auf Dächern oder bilden die Spitze von Masten – Sirenen sind laut, schrill und bedeuten vor allem eins: Gefahr! Und dann gibt es Menschen wie Sandro Wünschel, die mehr als nur ein Faible für Sirenen haben. In der Sammler-Szene gilt er als “Sirenen-Influencer” und auch unter dem Namen “Sirenenhunter” ist Wünschel bekannt.
Der Sirenenhunter auf Youtube
Wie alle Influencer, hat auch er einen eigenen Youtube-Kanal mit dem Namen “Sirenenhunter”. “Mit meinem Kanal möchte ich auch Neulingen Zugang zu Informationen für dieses Thema geben”, sagt Wünschel. Mit den mittlerweile mehr als 70 Videos und rund 1.500 Abonnenten hat er ein Standing in der Szene und verfügt über tiefgreifende Kenntnisse über Sirenen.
Das Interesse und die Faszination für Sirenen reichen bis in seine Kindheit zurück. “Es lag an dieser schaurigen Atmosphäre, die Sirenen verbreiten. Sie haben etwas Bedrohliches an sich. Und das hat mich als Kind schon angezogen”, so Wünschel.
Quelle: Youtube / Sirenenhunter
Erste Sirene über Ebay
Gleichzeitig kam damals bei ihm die Frage danach auf, wie der typische Sirenenton entsteht. “Auf Youtube habe ich mir dann Videos von Leuten angeschaut, die allerhand Sirenen bei sich zu Hause stehen haben und die auch etwas zur Funktionsweise erzählten.” Tatsächlich entstanden dann über Youtube die ersten Kontakte in die Sammler-Szene. Einige Zeit später folgte dann die erste Sirene, eine IMI. “Sie ist auch als DDR-Werkssirene bekannt”, sagt Wünschel.
Die IMI wurde damals zur Mobilisierung der NVA, der Nationalen Volksarmee, genutzt. Beim Modell AL 1578 handelt es sich um eine Kleinsirene, die aus einem Reihenschluss- oder Altstrommotor besteht. Diese Motoren wurden damals üblicherweise in den Sirenen verbaut. Noch heute kann man die Sirene auf Ebay unter dem Stichwort “DDR-Sirene” ersteigern.
Sirenen-Sammler werden immer mehr
Wer denkt, dass die Sirenen-Szene lediglich aus ein paar Freaks besteht, die deutschlandweit verstreut leben und in deren Garten lauter Sirenen stehen, der irrt. “Die Sammler werden von Jahr zu Jahr mehr und die Szene wächst”, so Wünschel.
Das boomende Hobby hat allerdings einen negativen Nebeneffekt. “Die Preise für Sirenen steigen auf Portalen, wie Ebay leider mittlerweile stark an. Da schütteln selbst langjährige Sammler mit dem Kopf. Und das Schlimmste ist, dass es Leute gibt, die hierfür bezahlen. Deshalb kaufen viele Sammler gar nicht mehr auf solchen Portalen”, sagt der Sirenenhunter.
Dabei richtet sich der Preis für eine Sirene nach dem Hersteller sowie nach den Produktionsbesonderheiten. “Für die Einheitssirene E57 bezahlt man heute zwischen 100 und maximal 200 Euro. Vorausgesetzt, sie ist funktionstüchtig und der äußere Zustand ist einigermaßen gut”, betont der Sirenen-Experte. Außerdem komme es auch auf den Hersteller und das Baujahr an.
Die Einheitssirene 57 (E57) wurde vor allem im Kalten Krieg benutzt und sollte die Zivilbevölkerung vor einem drohenden Angriff der Ostblockstaaten warnen. Darüber hinaus nutzten viele Gemeinden die E57 zur Alarmierung der Feuerwehr.
Heutzutage wird die E57 lediglich in einigen Teilen Deutschlands als Warnsignal für die Feuerwehr genutzt. “Die meisten Modelle wurden allerdings nach dem Ende des Kalten Krieges abgebaut. Sirenen aus dem Kalten Krieg gibt es in Ost- und Westdeutschland noch einige. Diese werden allerdings nach und nach abgebaut”, betont Wünschel. Schade sei, dass die elektromechanischen Sirenen heute durch moderne elektrische Sirenen getauscht werden.
E57 zum Tausch
“Eine E57 habe ich hier zu Hause in meiner Werkstatt stehen und möchte sie gerne gegen eine entschärfte und entleerte Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg tauschen, da sie gut in meine Sammlung mit 20 Sirenen passt”, so Wünschel. Diese Fliegerbombe steht im Schwäbischen Bauern- und Technikmuseum Seifertshofen, einem Museum in seiner Heimat. Eine Fliegerbombe für die eigenen vier Wände? Der Wunsch kommt nicht von ungefähr. Wünschel arbeitet hauptberuflich beim Kampfmittelräumdienst als Kampfmittelbeseitiger.
“Wenn in Städten bei Bauarbeiten alte Fliegerbomben gefunden und die Bevölkerung im nahen Umkreis evakuiert wird, werden die Bomben üblicherweise entweder vor Ort oder nach der Entschärfung in speziellen Anlagen vernichtet. Leere Bomben, die inert – also von Zünder und Sprengstoff befreit sind, sind selten zu finden. Dies wird eigentlich nur für die Lehrmittelsammlungen der Kampfmittelräumdienste gemacht”, erläutert Wünschel.
Mit einigen technischen Museen in Deutschland hat er bereits Kontakt aufgenommen. “Die Chancen stehen nicht schlecht, dass ich eine E57 gegen eine entschärfte Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg tauschen kann.” Sein ungewöhnliches Hobby kann allerdings auch Probleme mit sich bringen. Wenn Sirenen im heimischen Garten getestet werden, kann man durchaus mit Klagen der Nachbarn wegen Lärmbelästigung rechnen. “Das ist bei mir aber Gott sei Dank nicht der Fall, da ich eine sehr tolerante Nachbarschaft habe”, so Wünschel.
Sirenen laufen bei Probealarm mit
Dennoch muss auch er sich an die hiesigen Gesetze halten. Unter anderem ist es in Deutschland verboten, offizielle Signale nachzuahmen. Bei einem Probealarm der Feuerwehr darf er allerdings seine Sirenen mitlaufen lassen.
Mit vielen anderen Männern unterschiedlichen Alters teilt Sandro Wünschel seine Leidenschaft. Frauen sind noch eine Rarität in der Szene. “Vielleicht spreche ich mit meinem Youtube-Kanal auch einige Mädels an. Das würde mich freuen”, sagt er.
Der Sirenenhunter jagt auf keinen Fall junge Damen. Vielmehr lädt er sie und andere Interessenten ein, sich die Videos auf seinem Youtube-Kanal anzuschauen, um so einen Einstieg in die Welt der Sirenen zu bekommen.
Foto: privat
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