
Ein Hüttenwerk wird lebendig
Auf der Oberhausener St. Antony-Hütte entdecken Besucherinnen und Besucher die über 250 Jahre alte Geschichte der Ruhrindustrie. Hier wird die erste Eisenhütte des Ruhrgebiets in einer spannenden Ausstellung und mit modernen digitialen und multimedialen Angeboten wieder zum Leben erweckt.
Wiege der Ruhrindustrie
Die St. Antony-Hütte in Oberhausen-Osterfeld ist die Geburtsstätte der Ruhrindustrie und Keimzelle des Weltkonzerns Gutehoffnungshütte. 1758 floss hier erstmals im Ruhrgebiet Roheisen. Heute erzählt sie mit ihrer Dauerausstellung vom spannenden Beginn der Eisen- und Stahlindustrie, von bedeutenden Innovationen und vom harten Leben der Menschen, die dort arbeiteten. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Entwicklung der St. Antony-Hütte als ein faszinierender Wirtschaftskrimi mit schillernden Persönlichkeiten bis hin zu allerlei Schlitzohren und Ganoven. Aber vor allem waren es Geschäftssinn, Unternehmergeist und Ingenieurkunst, aus denen sich die Wiege der Ruhrindustrie entwickelte. Auf der Hütte lebten und arbeiteten zahlreiche Persönlichkeiten, ohne die das Ruhrgebiet nicht das geworden wäre, was es heute ist: Franz von der Wenge, Gottlob Jacobi, die Brüder Franz und Gerhard Haniel oder Helene Amalie Krupp.
Gestern und heute
Die Anfänge der St. Antony-Hütte liegen in der Mitte des 18. Jahrhunderts. 1753 erhielt ihr Gründer Franz von der Wenge vom Kölner Erzbischof die Genehmigung, am Elpenbach in Osterfeld eine Eisenhütte zu errichten, um die örtlichen Erzvorkommen zu verhütten. Am 18. Oktober 1758 wird dann ein bedeutendes Kapitel der Geschichte des späteren Ruhrgebiets aufgeschlagen: Erstmals floss glühend heißes Eisen aus einem Hochofen im Ruhrgebiet. „Nun iß endlich die hütte in ihre arbeyt, der liebe Gott gebe mir seynen seegen dazu”, verkündet freudig der Hüttenmeister. Mit einer Unterbrechung von wenigen Jahren lief der Hüttenbetrieb auf St. Antony bis 1843. Dann wurde der Hochofen endgültig ausgeblasen, denn er war nicht mehr rentabel. Als Eisengießerei blieb die Hütte noch bis 1877 in Betrieb, dann wurde sie endgültig stillgelegt.
Ein großer Teil der Gebäude wurde unmittelbar nach der Stilllegung abgerissen. Das Wohnhaus des Hüttendirektors mit seinen beiden Anbauten blieb jedoch erhalten. Die St. Antony-Hütte wurde zum Wohnort von Arbeitern, Angestellten und Direktoren des Oberhausener Konzerns Gutehoffnungshütte. Heute beherbergt das Direktorenhaus die Dauerausstellung des Museums.
LVR-Industriearchäologischer Park
Im ersten industriearchäologischen Park Deutschlands können die Besucherinnen und Besucher auf der Ausgrabungsstätte der St. Antony Hütte einmalige Relikte aus der Frühzeit der Eisenhütte entdecken. Vier Jahre lang wurden Mauerreste, Fundamente und Teile der Produktionsanlagen der St. Antony-Hütte vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) ausgegraben. Auf dem Grabungsgelände werden die Gäste durch die Ursprünge der Eisen- und Stahlindustrie geführt. Das 1.000 Quadratmeter große Stahldach, das die Ausgrabungen überspannt, wurde vom Stahl-Informations-Zentrum in Düsseldorf mit dem „Stahlinnovationspreis 2012“ ausgezeichnet. Entworfen wurde die selbsttragende Dachschale vom Architektenbüro Ahlbrecht, Felix, Scheidt, Kasprusch aus Essen.
Moderne Medien
Sowohl in der Dauerausstellung im Direktorenhaus als auch im LVR-Industriearchäologischen Park begleiten verschiedene moderne Medien die Besucherinnen und Besucher bei ihrem Rundgang. Neben einem Audioguide, der auch in leichter Sprache zur Verfügung steht, erweckt die St. Antony-App die einst pulsierende Hütte zu neuem Leben. So erscheint den Gästen der erste Hüttendirektor, Gottlob Jacobi, als virtueller Besucherbegleiter. Er steht nahezu greifbar im Raum. Oder sie lassen sich auf einen Chat mit „Antonia“ ein und erfahren in unterhaltsamer Weise von den Vorkommnissen auf St. Antony.
Unterhaltsame und erlebnisreiche Programmvielfalt
Darüber hinaus erwartet die Besucherinnen und Besucher ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm und abwechslungsreiche Führungen auf der St. Antony-Hütte. Bei einer Kostümführung kehrt der einstige Hüttendirektor Gottlob Jacobi zurück und erzählt spannende Geschichten rund um das erste Hüttenwerk des Ruhrgebiets. Für Kindergärten und Schulklassen gibt es ein umfangreiches museumspädagogisches Programm.
Ein Ausflug zur St. Antony-Hütte wird auch für Kinder durch den Abenteuerspielplatz neben dem Museum zum Erlebnis. Im Mittelpunkt steht ein zehn Meter hoher Turm, der einem Hochofen nachempfunden ist – mit Rutsche, Kletterwänden, Hangelleitern, Schrägaufstieg und Rohrtelefonen.
Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Oktober gibt es beim großen St. Antony-Fest ein buntes Programm für Groß und Klein mit vielen spannenden Aktionen.
Auf jeden Fall lohnt sich nach dem Besuch der Ausstellung immer auch ein Abstecher ins museumseigene Café St. Antony. Hier gibt es leckeren Kaffee und kleine Erfrischungen.
Museum Eisenheim
Nicht weit entfernt von der St. Antony-Hütte liegt mit der Siedlung Eisenheim die älteste der zahlreichen Arbeiter- und Zechenkolonien an der Ruhr. Hier fanden die Arbeiter, die in den goldenen Zeiten der Ruhrindustrie in Scharen ins Revier strömten, ein Zuhause. Gebaut wurde Eisenheim 1846 von der Hüttengewerkschaft Jacobi, Haniel und Huyssen. Ende der 1950er Jahre mehrten sich die Bestrebungen, viele der alten Arbeiterkolonien abzureißen, um die vermeintlich veralteten Siedlungen durch modernere Wohneinheiten zu ersetzen. Aber als in Eisenheim in den 1970ern die Bagger anrückten, wehrten sich die Bewohnerinnen und Bewohner in einer bundesweit beachteten Aktion gegen den Abriss. Nach langem Kampf konnten die verbliebenen 38 Häuser bewahrt und 1972 unter Denkmalschutz gestellt werden.
Heute erzählt das Museum Eisenheim von der Geschichte der Siedlung, dem Kampf gegen den Abriss und von Alltag und Leben in der ‚Kolonie’. Außerdem gibt es interessante Spaziergänge durch die Siedlung, die den Gästen die Geschichte und den Alltag in der Arbeitersiedlung näherbringen.
Weitere Orte der Industriegeschichte des LVR-Industriemuseums in Oberhausen:
Neben der St. Antony-Hütte und dem Museum Eisenheim gehören weitere herausragende Industriedenkmäler in Oberhausen zum LVR-Industriemuseum: Der Peter-Behrens-Bau, ein markantes Industriegebäude des berühmten Architekten, war früher das Hauptlagerhaus der Gutehoffnungshütte und beherbergt heute als Zentraldepot des LVR-Industriemuseums weit über 300.000 Sammlungsstücke. Derzeit wird er ebenfalls als Ausstellungsort genutzt, bis die Umbaumaßnahmen in der Zinkfabrik Altenberg abgeschlossen sind. Voraussichtlich im Jahr 2022 wird in dieser eine komplett überarbeitete und modernisierte Dauerausstellung eröffnet. Der stillgelegte Bahnsteig an Gleis 4 und 5 des Oberhausener Hauptbahnhofs ist heute ein Museumsbahnsteig und inszeniert diesen Ort als früheren Umschlagplatz der Schwerindustrie. Des Weiteren finden dort in den Sommermonaten Open-Air-Kino-Veranstaltungen des LVR-Industriemuseums statt.
Sieben Schauplätze, ein Museum
Die St. Antony-Hütte ist in Verbindung mit dem Museum Eisenheim einer von insgesamt sieben Schauplätzen des LVR-Industriemuseums, die im Verbund ein einzigartiges Museum bilden. In zum Teil denkmalgeschützten Fabriken wird am authentischen Ort spannend und anschaulich die Geschichte der Industrie im Rheinland und der dort beschäftigten Menschen erzählt. Dabei stehen die zentralen Branchen Metall, Textil, Papier und Elektrizität im Mittelpunkt. Neben der St. Antony-Hütte warten auch die anderen Schauplätze darauf, entdeckt zu werden: die Papiermühle Alte Dombach in Bergisch Gladbach, die Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen, das Kraftwerk Ermen & Engels in Engelskirchen, die Tuchfabrik Müller in Euskirchen, die Textilfabrik Cromford in Ratingen und die Zinkfabrik Altenberg und dem Peter-Behrens-Bau in Oberhausen. In Oberhausen befindet sich außerdem die Museumszentrale mit Direktion, Verwaltung, Depots, Bibliothek, Fotoarchiv und Werkstätten. Gründer und Träger des LVR-Industriemuseums ist der Landschaftsverband Rheinland (LVR).