Wertvolle Schätze der Zahntechnik und Zahnmedizin

Wertvolle Schätze der Zahntechnik und Zahnmedizin

Von Christoph Ledder:

Im mittelsächsischen Zschadraß, eine knappe Autostunde von Leipzig entfernt, befindet sich die zweitälteste Psychiatrie Deutschlands. Hier hat sich Andreas Haesler sein eigenes kleines Imperium aufgebaut – das einzige Dental Historische Museum hierzulande, das die Geschichte der Zahntechnik und Zahnmedizin zeigt. Doch wie kommt man gerade an einem Ort dazu, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, ein Museum aufzubauen?

 

“Man muss schon ein bisschen bekloppt sein, um die Keller und Dachböden der Republik nach zahnheilkundlichen Schätzen zu durchforsten. Doch man glaubt gar nicht, was dort alles für Schätze lagern. Die Geschichte der Zahnheilkunde hat viel Wunderbares hervorgebracht, wovon die Zahnmedizin heute noch profitieren kann. Und einen muss es ja geben, der das entdeckt und der Öffentlichkeit zugänglich macht.”

Zahnheilkunde erlebbar machen

Haeslers Mission ist es, die Geschichte der Zahnmedizin erlebbar zu machen. Jeder soll sehen, wie das in der Vergangenheit erworbene Wissen die Dentalwelt noch heute beeinflusst. Dabei ist der gelernte Zahntechniker ein echter Tausendsassa. Er kommt und kam in der Vergangenheit viel rum und hat im Lauf der Zeit die Errungenschaften der vergangenen Jahrhunderte der Dentalwelt zusammengetragen.  

Wenn einer weiß, was stürzen heißt, dann ist es Haesler. Rückschläge sind für ihn nichts Neues. Das hat er auch beim Dental Historischen Museum hinnehmen müssen.  Doch grenzenloser Optimismus, viel Leidenschaft und der stete Glaube daran, der Menschheit mit dem Museum einen Dienst zu erweisen, lassen ihn immer wieder aufstehen und weitermachen. Doch warum gerade an einem Ort, der mitten im Nirgendwo liegt?

In der ehemaligen Psychiatrie in Zschadraß sind die Exponate der Zahntechnik und Zahnmedizin untergebracht.

 

 

Mehr als eine halbe Million Exponate

“Würde man mir in Berliner, Hamburger, Londoner oder New Yorker Museen den Platz zur Verfügung stellen, den ich für die ganzen Ausstellungsstücke benötige, wäre ich von heute auf morgen weg.” Doch an Zschadraß hängt sein Herz, hier fühlt sich Haesler unabhängig und frei.

Mehr als eine halbe Million Exponate aus der Historie der Zahnmedizin und Zahntechnik beherbergt das Museum.  Dazu gehören neben gut erhaltenen und kompletten Behandlungseinheiten eine Vielzahl an privaten Bibliotheken, die Haesler im Verlauf der vergangenen fünfzehn Jahre aus 500 bis 600 privaten Haushalten über sieben Generationen hinweg geborgen hat. Ein anderes Museum an einem anderen Ort könnte ihm diesen Platz gar nicht bieten.

Die komplette Sammlung verteilt sich auf mehrere historische Backsteinhäuser. Längst in Vergessenheit geraten ist auch die Psychiatrie, die hier einst untergebracht war. Allerdings ist die Aura der vergangenen Zeiten immer noch deutlich spürbar.

Wissen bewahren

“Bei mir ist es nicht nur reines Interesse an der Geschichte, und ich sehe mich auch nicht als Jäger und Sammler. Dann bräuchte ich so etwas hier gar nicht aufzubauen. Mir geht es darum, Geschichte lebendig zu machen und nachfolgende Generationen dahin zu bringen, sich mit den Errungenschaften der Zahnmedizin zu beschäftigen.“

„Die Besucher kommen nicht in Scharen. Das muss ich zugeben.“ Manchmal bietet er Führungen für Schulklassen an, und vereinzelt verirren sich auch Touristen ins Museum. Insgesamt sind es rund 1.600 Besucher pro Jahr. Doch der überwiegende Teil sind laut Aussage Haeslers Professoren und Studenten der Zahnmedizin aus allen Teilen der Welt. Darunter war ein Professor aus Moskau, der beim Anblick der Sammlung sprichwörtlich in die Knie gegangen ist und ihm angeboten hat, einen Großteil davon für mehrere Wochen in Moskau auszustellen.

Daraufhin fuhr Haesler mit mehreren Lkw nach Russland und residierte während der Zeit des Aufenthaltes nach eigenen Angaben „wie ein König“. Das schönste Hotel, die besten Restaurants und ein Rundum-Service, der an einen Staatsbesuch erinnert. „In der Ausstellungszeit habe ich auch Vorträge an der Uni gehalten“, so Haesler.

Ausflug in die Filmbranche

Das Abenteuer Moskau ist allerdings nur eines von vielen. Weitere persönliche Highlights sind Ausflüge in die Filmbranche. Bei vielen Regisseuren ist er mit seinem Fachwissen zur Historie der Zahnmedizin ein gefragter Mann. So hat er schon einige Male die Möglichkeit gehabt, als Requisiteur Filmsets auszustatten.

Beispiel hierfür ist die Verfilmung des Thomas-Mann-Klassikers “Die Buddenbrocks”. 

Behandlungseinheit aus “Die Buddenbrocks”

“Ich wurde angefragt, ob ich ein typisches Behandlungszimmer aus der Zeit für einige Filmszenen aufbauen könnte. Ich habe natürlich sofort zugesagt.” Ein weiterer großer Meilenstein in Haeslers Filmkarriere ist die Begegnung mit dem Regisseur vom “Fluch der Karibik”.

„Man ist durch Google auf mich gekommen, und ich wurde gefragt, ob ich nicht Lust hätte, für einen Horrorfilm Zahnarztstuhl und Instrumente so zu präparieren, dass dort Leute gefoltert werden können. Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, habe ich den Auftrag angenommen.“

Für mehrere Tage ist er also mit Teilen seiner Ausstellung nach Amerika gefahren und hat dort am Filmset mitgewirkt. „Eine Wahnsinnserfahrung“, erinnert er sich. Doch obwohl er in den ganzen vergangenen Jahren viel von der Welt gesehen hat, ist er bodenständig geblieben.

Der gebürtige Thüringer ist bereits vor dem Mauerfall in die BRD ausgereist. Nach der Wende kehrte er jedoch nach Sachsen in die Nähe von Zschadraß zurück, wo er bis heute mit seiner Familie lebt. 

Nachbau des weltweit ältesten Behandlungszimmers

Ein anderes großes Highlight des Museums hat auch bereits mehr als dreihundert Jahre auf dem Buckel. Haesler hat es geschafft, das älteste Behandlungszimmer der Welt von 1750 originalgetreu nachzubauen. Und hier spürt man seine Leidenschaft für den Erhalt der zahnmedizinischen Historie erneut. Denn originalgetreu heißt bei Andreas Haesler wirklich originalgetreu. Egal ob Behandlungsstuhl, originalgetreues Fenster oder Holzboden – das Zimmer ist echt und scheint wie in die heutige Zeit transportiert worden zu sein.

“Es war schon ein Haufen Arbeit, da ich mir alles anlesen musste. Ich habe keine Ahnung, wie das erste Behandlungszimmer der Welt ausgesehen hat.” Und doch hat er es geschafft. Am Ende ist er allerdings noch lange nicht. Seiner Meinung nach lagern auch weiterhin noch viel zu viele historische Schätze der Zahnmedizin in den Privathaushalten dieser Welt. Ob er es jemals schafft, sein Imperium mit dem Museum und den dazugehörigen Häusern fertigzustellen, bleibt ungewiss. Selbst er kann sich auf diese Frage keine Antwort geben.

Weitere Informationen zum Dental Historischen Museum findet man unter www.dentalmuseum.eu.

Fotos: A.Haesler / C.Ledder

Oktober 14, 2021Comments Off, , Dental Historisches Museum | Psychiatrie | Zahnmedizin | Zahntechnik | Zschadraß
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